Förderverein unterstützt Ludwigsburger Orgelsommer 2019

Martin Kaleschke spielt Max Regers Choralfantasien Opus 52 auf der Klais-Orgel der Stadtkirche Ludwigsburg

Von Dietholf Zerweck

Enorm vielseitig und unterschiedlich sind die Programme der fünf Konzerte des Ludwigsburger Orgelsommers in diesem Jahr in der Stadtkirche. Nachdem das Auftaktkonzert im Juli mit dem italienischen Orgelvirtuosen Francesco Finotti einer Auswahl von Werken Franz Liszts gewidmet war und am 18. August die Münchner Organistin Angela Metzger die ganze Bandbreite der Orgelliteratur vom Barock bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in ihrer „Hommage à Bach” bespielen wird, interpretierte Martin Kaleschke am Sonntag das monumentale Opus 52 von Max Reger. Der Bezirkskantor an der Ludwigsburger Stadtkirche gab den drei späten Choralfantasien Regers, in denen Chromatik und Harmonik bis an die Grenzen der Tonalität ausgereizt werden, eine grandiose Bedeutung.

Am freiesten behandelt Max Reger die Choralmelodie in seiner Fantasie über „Alle Menschen müssen sterben”. Gleich zu Beginn wird der Gegensatz zwischen Tod und Auferstehung mit einem gewalttätigen Fallmotiv und stürmisch aufschießenden Skalen manifestiert. Bei den gewaltigen Klangmassen, die Martin Kaleschke der Klais-Orgel der Stadtkirche entlockt, mögen manchem Zuhörer Darstellungen des Jüngsten Gerichts  von Hieronymus Bosch oder Pieter Breugel vor dem inneren Auge auftauchen. Doch schon im Zwischenspiel zur 3. Strophe, in welcher der Gegensatz zwischen „Weltgetümmel” und „Gotteshimmel” formuliert wird, wird diese Verheißung zur Auferstehungsvision, die freilich plötzlich ins Pianissimo zusammenfällt. Immer klangprächtiger, mit starken Mixturen und Organo-Pleno-Effekten wird „diese große Herrlichkeit” einer Jenseitsvision im himmlischen Jerusalem gestaltet, mit ungeheurer Expressivität lässt Kaleschke diesen Ewigkeits-„Tag, der kein Ende nehmen mag” ertönen.

Innerhalb von zehn Tagen hat Max Reger 1900 seine drei Orgelfantasien op. 52 komponiert. „Im Falle es beim Anhören dieses Verbrechens Todte geben sollte, übernehme ich die Beerdigungskosten”, schreibt er seinem Freund Karl Straube, der im Jahre darauf auch die Uraufführung im Dom zu Wesel und bald darauf auf einer großen Walcker-Orgel in München spielte. Auch die 2015 eingeweihte neue Klais-Orgel der Stadtkirche enthält Register und Elemente der ehemaligen Walcker-Orgel, die auch bei der Fantasie über „Wachet auf, ruft uns die Stimme” zum Erklingen kommen.

Raunend, in wabernden Pianissimo-Wendungen, beginnt die Introduktion, von Reger selbst als „Kirchhof” charakterisiert, über dem sich grell niedersausende Blitze entladen. Das Choralmotiv erstrahlt wie eine Engelsstimme aus weiter Ferne, der Gegensatz von Nacht und Tag umspielt in kunstvollen Verzierungen die Choralmelodie, im dritten Teil wird der Cantus Firmus in eine weiträumige Fuge implantiert, was Martin Kaleschke höchst virtuos zur Darstellung bringt. Transparenz und polyphone Durchhörbarkeit sind starke Vorzüge seiner Wiedergabe, und bei der Fantasie über „Halleluja! Gott zu loben bleibe meine Seelenfreud'” bekommt jede der sieben Choralstrophen ihre ganz eigene, alle Register der Klais-Orgel wunderbar in Klang setzende Farbigkeit. Auch hier steht eine gewaltige Fuge am Ende meisterhaft!

Aus: Ludwigsburger Kreiszeitung vom 06.08.2019